Same same but different: SkyECC oder wie europäische Strafverfolgungsbehörden eine Milliarde Nachrichten über 21 Monate lang abgefangen haben

Unser Partner, Rechtsanwalt und Strafverteidiger Christian Lödden hat zusammen mit dem Kollegen Dr. Johannes Makepeace die Geschichte hinter der wohl größten bislang bekannten strafprozessualen Datenerhebung weltweit aufgeschrieben. 

 

Über 170.000 Nutzer der Anwendung SkyECC des Kryptohandy-Anbieters Sky Global sollen betroffen gewesen sein, über eine Milliarde verschlüsselte Nachrichten sollen von belgischen, niederländischen und französischen Ermittlungsbehörden mit der Hilfe von Europol und Eurojust über einen Zeitraum von 21 Monaten abgefangen und gespeichert worden sein, um die Daten erst über eineinhalb Jahre später zu entschlüsseln.

 

Trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten der verschiedenen Kryptohandy-Anbieter wie EncroChat, SkyECC oder ANOM in Bezug auf ihre Funktionsweise, unterscheiden sich vor allem die zugrundeliegenden strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen derart grundlegend, so dass sich die Frage nach der Verwertbarkeit der SkyECC-Daten neu stellen muss:

 

EncroChat  Datenerhebung vom 01.04.- 30.06.2020 mittels auf die Geräte gespielte Trojaner (über 36.000 Geräte)

 

ANOM  Datenerhebung vom Oktober 2019 – 7.6.2021, Server wurde angeblich in einem nicht bekannten EU-Land ohne bekannte gerichtliche Beschlüsse betrieben, die Software wurde entwickelt und auf den Markt gebracht vom FBI (über 12.000 Geräte)

 

SkyECC  Datenerhebung vom Juni 2019- 08.03.2021, sämtlicher Datentraffic wurde vom Server abgefangen und gespeichert und ab Dezember 2020 wurden mit einem man-in-the-middle-Angriff die Schlüssel der einzelnen Geräte abgerufen (über 170.000 Geräte)

 

Deutschlandweit laufen jetzt die ersten Straf- und Ermittlungsverfahren aufgrund von Beweisen, die aus dieser europäischen digitalen Rasterfahndung stammen. Bei den Ermittlungsrichtern und Instanzgerichten setzt hier ein wohlbekannter Reflex ein: Es ist alles höchstrichterlich entschieden! Weit gefehlt! Das wollen wir mit diesem Aufsatz aufzeigen.

 

So (europa)rechtlich angreifbar und nachweislich auf einem falschen Sachverhalt basierend der Beschluss des 5. Strafsenats (5 StR 457/21) zu EncroChat ist, so wenig ist er auf SkyECC übertragbar. Sowohl die Methode als auch der Umfang der Beweiserhebung und der Beweistransfer nach Deutschland sind überhaupt nicht miteinander vergleichbar und werfen ganz andere rechtliche Fragen auf, die beantwortet werden müssen. 

 

Das Ziel unseres Beitrags ist es, die Geschichte hinter der Beweiserhebung und dem Beweistransfer bekannt zu machen, die Unterschiede zu bereits bekannten Systemen aufzuzeigen, die sich daraus ergebenden Rechtsfragen anzureißen und damit eine rechtswissenschaftliche Diskussion anzustoßen. Das ist die Aufgabe von Strafverteidigung, den Finger dort in die Wunde zu legen, wo vermeintlich alles so klar scheint. Wir würden uns wünschen, dass insbesondere die Rechtswissenschaft sich diesen Rechtsfragen annimmt und sich positioniert, denn in der Praxis werden in den nächsten Jahren zumindest die Landgerichte mit der nächsten Welle von sogenannten SkyECC-Verfahren geflutet werden.

 

Herzlichen Dank an Professor Karsten Gaede und Gerhard Strate, dass wir diesen Artikel so schnell veröffentlichen konnten. Auch hier zeigt sich, dass insbesondere die Online-Publikationen für brandaktuelle Themen inzwischen unverzichtbar sind!

 

Der Artikel ist hier abrufbar!

 

Mehr Informationen gibt es hier.

 

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