EncroChat beim Europäischen Gerichtshof (EuGH)

Am 04.07.2023 fand die lang erwartete mündliche Anhörung vor der Grand Chamber des EuGH zur Vorlage des Landgericht Berlin zu EncroChat statt (C-670/22 (EncroChat).

 

Die beeindruckende Kulisse von 15 Richtern unter dem Vorsitz des Präsidenten des Gerichtshofs Koen Lenaerts und Generalanwältin Tamara Capeta bildete den angemessenen Rahmen, um über grundlegende Fragen des Grundrechtsschutzes von Bürgern bei grenzüberschreitenden Ermittlungen zu diskutieren.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin und die Verteidigung ihre Standpunkte zu den Vorlagefragen abgegeben haben, ergriffen Vertreter der Mitgliedsstaaten Deutschland, Tschechien, Irland, Spanien, Frankreich, die Niederlande, Ungarn, Schweden und der European Commission das Wort.

Wenig überraschend lag der Fokus in den Ausführungen weniger bei den Rechtsfragen und viel mehr in der blumigen Darstellung der Ermittlungserfolge, getreu dem Motto "der Zweck heiligt die Mittel" bzw. je mehr Festnahmen und Sicherstellungen desto weniger müsse man über die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen reden.

Umso überraschender war die nachmittägliche Fragerunde durch das Gericht und die Generalanwältin, die sich, offensichtlich unbeeindruckt von den Zahlen am Ende der Operation, folgerichtig vielmehr mit den Rechtsfragen zu Beginn und während der Maßnahmen beschäftigten.

Insbesondere die Generalanwältin und der deutsche Richter am EuGH stellten durchaus kritische Fragen an die Vertreter der Kommission und Deutschland. Dabei lag der Fokus auf den Fragen des Grundrechtsschutzes eines betroffenen Bürgers und dessen Möglichkeiten, grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen richterlich überprüfen zu lassen. Hier vermutete die Generalanwältin ein "loophole". Zu Recht!

Ein weitere interessanter Punkt, der sich durch die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten zog, war, dass der konkrete Tatverdacht zu Beginn der Maßnahmen an die Verwendung eines EncroChat-Handys geknüpft worden ist, da -wahlweise- alle/überwiegende Anzahl/ die meisten Nutzer in schwere Straftaten verwickelt seien. Auch dieser Punkt wird nach der aktuellen Rechtsprechung des European Court of Human Rights nicht zu halten sein! (vgl. Akgün v. Turkey 19699/18 --> das bloße Verwenden verschlüsselter Kommunikation reicht für die Begründung eines Tatverdachts nicht aus!)

Interessant war auch der Blick in den Zuschauerraum: Neben den drei Berufsrichtern der vorlegenden 25. Großen Strafkammer des Landgericht Berlin, Vertretern der GenStA -ZIT- FFM, Strafverteidigern aus vielen europäischen Ländern, waren auch zwei Vertreter des Bundesverfassungsgerichts aufmerksame Beobachter. Da liegt ja noch was....

Die letzten Worte der Fragerunde hatte die Generalanwältin: "I'm puzzled, thank you" Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ihre Schlussanträge wird sie am 26.10.2023 stellen, es bleibt spannend!

 

Mehr Informationen gibt es hier.

 

Eine sehr gute inhaltliche Zusammenfassung der Anhörung gibt es auf der Homepage des Kollegen Rechtsanwalt Strate, hier.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    David (Dienstag, 18 Juli 2023 22:16)

    Ja ja

  • #2

    Müller , Dennis (Montag, 23 Oktober 2023 19:05)

    Wie ist eure Einschätzung? Dürfen die Daten weiterhin verwendet werden?
    Liebe Grüße