EGMR stärkt den Rechtsschutz bei Datenerhebungen im Ausland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit einer wegweisenden Entscheidung vom 12. September 2023 entschieden, dass Personen in dem Land einen Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz haben, wo ihre elektronische Kommunikation abgefangen, durchsucht und überprüft wurden. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Staat sich die Betroffenen während der Datenerhebung aufhielten.

 

Die Beschwerdeführer machten geltend, dass ihre Kommunikation von den britischen Geheimdiensten abgefangen wurde. Der EGMR hat bereits festgestellt, dass das Massenabhörsystem in UK gegen die EMRK verstoßen hat (vgl. EGMR, 25.05.2021 - Big Brother Watch and Others v. UK).

 

Da die Beschwerdeführer außerhalb des Vereinigten Königreichs leben, weigerte sich das britische Investigatory Powers Tribunal (IPT) ihre Beschwerden anzunehmen, sodass sie keinen Zugang zu einem geeigneten Rechtsbehelfsverfahren hatten.

 

Der EGMR macht deutlich:

 

  • Dass der „Eingriff in die Privatsphäre der Kommunikation eindeutig dort stattfindet, wo diese Kommunikation abgefangen, durchsucht, untersucht und verwendet wird und die daraus resultierende Verletzung der Privatsphärenrechte des Absenders und/oder Empfängers auch dort stattfindet“ (Abs. 93);
  • Da das Vereinigte Königreich die Kommunikation der Beschwerdeführer im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs abfing, durchsuchte, untersuchte oder nutzte, fiel der Eingriff in ihr Recht auf Privatsphäre in die territoriale Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs.(Abs. 94-95)

Dabei griff der EGMR das Bild meines niederländischen Kollegen Justus Reisinger auf, wonach nicht ernsthaft angenommen werden könne, dass die Durchsuchung der Wohnung einer Person in einem Vertragsstaat außerhalb der territorialen Zuständigkeit dieses Staates liegt, wenn sich die Person zum Zeitpunkt der Durchsuchung im Ausland befindet.

 

Auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2835/17) hat der EGMR ausführlich Bezug genommen. So stellte das BVerfG bereits 2020 fest, dass sich mit den Entwicklungen der Informationstechnik verbindet, dass die Datenströme von Staatsgrenzen unabhängigen technischen Kriterien weltweit geführt werden.

Die Entscheidung des EGMR dürfte besondere Bedeutung in den #encrochat, #skyecc und #anom Verfahren erlangen. In dem anhängigen EncroChat Verfahren (EGMR - 44715/20) hat Frankreich bereits erklärt, dass gegen die Anordnung der Datenerhebung für die Beschwerdeführer kein Rechtsbehelf in Frankreich bestanden hat (siehe hier). Gleiches dürfte für SkyECC Verfahren gelten.

 

Da in den ANOM-Verfahren noch nicht einmal der Staat mitgeteilt wird, in dem die Daten erhoben wurden, erübrigt sich die Frage nach einem möglichen Rechtsbehelf.

 

Mehr dazu hier 

 

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