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ANOM Leaks - Stell dir vor, Polizei und Staatsanwaltschaft belügen Richter, um Gerichtsbeschlüsse zu erwirken und die Verteidigung kann das Beweisen!

In einer Geheimoperation hat das FBI den Kryptomessenger ANOM betrieben und die Daten u. a. deutschen Behörden als Beweismittel zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt. Diese Operation durfte das FBI allerdings nach US-Recht weder aus den USA heraus noch gegen US-Bürger durchführen. Deshalb suchte das FBI ein drittes Land, in dem der Server betrieben wird und in dem formal die Beweise erhoben werden. Welches Land dies war und welche gerichtlichen Beschlüsse es gab, haben die USA nicht offengelegt.

 

Das hat den BGH nicht gestört und er hat in der Entscheidung vom 09.01.2025 (1 StR 54/24) festgestellt, dass ANOM-Daten als Beweise verwertbar sind. Allerdings heißt es in der Entscheidung auch: 

 

„Beweise, die unter Außerachtlassen nationaler und europäischer rechtsstaatlicher Mindeststandards gewonnen wurden, sind im deutschen Strafverfahren unverwertbar. […] Anhaltspunkte dafür, dass die von den USA erteilten Auskünfte über die Art und Weise der Ermittlungsmaßnahmen unzutreffend sind, bestehen nicht. […] Erst und nur dann, wenn belastbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der ersuchte Staat nicht rechtstreu verhalten hat, kann die Vermutung rechtmäßigen Handelns widerlegt sein.“

 

Und genau das ist jetzt geschehen: Mir liegen die litauischen Beschlüsse, die US-amerikanischen Rechtshilfeersuchen sowie die gesamte, über 400 Seiten starke E-Mail-Korrespondenz der handelnden Personen vor. Ich kann beweisen, dass die Richter bewusst über die Umstände getäuscht wurden. Die litauischen Richter wurden von den Polizeibeamten und der Staatsanwaltschaft belogen!

 

Aus rechtlichen Gründen durften die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden den von ihnen entwickelten Messenger-Dienst ANOM nicht aus den USA heraus betreiben. Sie suchten daher einen anderen Staat für die Datenerhebung. Die litauischen Strafverfolgungsbehörden erklärten sich dazu bereit und erschufen in Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Behörden die Legende einer kriminellen Organisation. Diese sollte aus Litauen heraus den vermeintlichen Krypto-Messenger-Dienst ANOM betreiben. Mit dieser Lüge erwirkten sie gerichtliche Beschlüsse, die es ihnen erlaubten, 20 Monate lang heimlich sämtliche Kommunikationsdaten des von ihnen selbst aufgestellten und bezahlten Servers abzufangen. Es handelte sich dabei jedoch nicht um eine durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung getragene strafprozessuale Maßnahme, sondern um eine Kommandoaktion, die gegen sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze verstieß und den Richtervorbehalt eklatant und vorsätzlich missachtete. 

 

Nun wird auch klar, warum sowohl die US-amerikanischen als auch die litauischen Behörden bis heute mit aller Macht versucht haben, die gerichtlichen Dokumente und Beschlüsse unter Verschluss zu halten. Die vermeintlich legitimierenden Gerichtsbeschlüsse basieren auf einem falschen Sachverhalt. Die litauischen Ermittlungsrichter wurden bewusst und zielgerichtet von den Ermittlungsbehörden getäuscht. Dies wird durch die vorliegenden ANOM-Leaks deutlich. Der Richtervorbehalt verkommt hier zu einer reinen formalen Voraussetzung, die unter Manipulation des zugrunde liegenden Sachverhalts erschlichen wurde. Das dahinterstehende Rechtsgut, nämlich dass ein Gericht die Aufgabe hat, auf der ihm zur Verfügung gestellten Informationsgrundlage eine mit dem Gesetz in Einklang stehende Entscheidung zu treffen, um die Grundrechte der betroffenen Menschen zu schützen und mit dem Strafverfolgungsinteresse des Staates abzuwägen, wird hier bewusst umgangen.

 

Ausgehend von der rechtlichen Bewertung des BGH und den nun vorliegenden Sachverhaltsinformationen liegen gravierende Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK und Art. 47 Abs. 2 GRCh, gegen den ordre public sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vor. Dies hat ein Beweisverwertungsverbot zur Folge, da die litauischen Ermittlungsrichter einen vom FBI und den litauischen Ermittlungsbehörden manipulierten Sachverhalt vorgelegt bekommen haben.

 

Seit letzter Woche haben die ersten Gerichte durch meine Beschwerden die Dokumente vorliegen. Jetzt muss die deutsche Rechtsprechung schnellstens handeln, denn allein in Deutschland sitzen hunderte Menschen aufgrund dieser rechtswidrigen Beweise in Gefängnissen.

 

Das ist das perfekte Beispiel dafür, warum der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in der internationalen Rechtshilfe eben nicht den Grundsatz der Aktenvollständigkeit und -wahrheit ersetzen kann!

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet exklusiv über ANOM Leaks hier.

 

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